NRW-Klasse, 4. Spieltag: SK Werther – SC Steinfurt 7,5:0,5

 

Werther (ehu). Kalle ist ein Trottel. Das darf ich so schreiben. Die Erlaubnis kam von ihm persönlich in seiner Funktion als Präsident unseres Schachklubs: „Du kannst schreiben: ‚Ich bin ein Trottel‘.“

Der Grund seiner Aussage liegt auf der Hand. Denn fast hätten wir ein sauberes 8:0 erspielt. Aber nein, der linksgrün-versiffte Gutmensch tanzte aus der Reihe und produzierte nur ein Remis.

Beim Abbau nach dem Kampf stellte er außerdem sein Auto in die Feuerwehreinfahrt des Hauses Werther und kassierte dafür eine Abmahnung des netten Hausmeisters: „Ich kann euch aufschreiben, das wisst ihr.“ Er schrieb uns aber gar nicht auf, weil Kalle einfach wegfuhr. Also notierte ich Kalles Kennzeichen – die Anzeige geht auf jeden Fall raus.

Unseren Kantersieg eröffnete der Meister des rücksichtsvollen Delegierens: Einer-müsste-mal-Rüdiger überspielte seine Gegnerin schon in der Eröffnung und kam anschließend zu einem unwiderstehlichen Königsangriff.

Dabei verpasste er allerdings ein klassisches Läuferopfer: Sieben Bauerneinheiten Vorteil zeigt die Maschine an:

Nimmt der König den Läufer auf h7, folgt der Bauernvorstoß g5 und der Springer darf nicht ziehen, weil sonst die schwarze Dame flöten geht.

Fünf Züge später verpasste er eine zweite Gelegenheit zu einem durchschlagenden Opfer und zog vorsichtig Df2 statt Txh7 mit Schach :

Wenn Weiß den Turm nimmt, kommt der Weiße laut Computer in zehn Zügen zum Matt. Aber Rüdigers Angriff war auch ohne Opferwendung äußerst kräftig und recht hübsch anzusehen. Ja, ich würde sagen, er hat sich den Schönheitspreis verdient.

Danach vereinbarte Kalle im 35. Zug Remis – die Anzeige geht auf jeden Fall raus -, bevor Jonas in gewohnt riskanter Weise den vollen Punkt einsackte.

Ich soll ja nichts über unsere Eröffnungen schreiben, damit unsere Gegner es nicht zu leicht haben mit ihrer Vorbereitung. Aber dieses Mal ist mir Jonas‘ beknackter erster Zug ein Diagramm wert – der sei, so sagte Jonas, eine Reminiszenz an den kürzlich verstorbenen Engländer und Eröffnungsaußenseiter Michael Basman:

Jonas erreichte nichts damit, hielt jedoch das taktische Wirrwarr so gut es ging aufrecht. Dem Steinfurter klebte der Gewinn lange auf der Kelle und er hätte mit dem Läufereinschlag auf g2 den Sack zumachen können: 

Stattdessen schien er zaubern zu wollen und verfiel auf die Idee, seinen Turm nach e2 vorzurücken. Er ließ damit seine Dame ungedeckt, um Jonas‘ König mit einem Turmschach in die Ecke zu zwängen. Wenn’s nicht matt wird, so wird’s wenigstens Remis, wird er sich wohl gedacht haben. Der Computer sackt zusammen.

Es folgte: 34.Qxa7 Rxg2+ 35.Kh1 Ree2 36.Qa8+ Kf7 37.Rxb7+ Kg6 38.Rxg7+ Kxg7 39. Qxd5 Rg3 40.Rg1 und Schwarz gab auf – Schwein gehabt. Jonas kam übrigens mit dem Fahrrad angeradelt. Kennt jemand sein Auto-Kennzeichen?

Danach rannte Mario mit den schwarzen Schwerfiguren unermüdlich gegen eine starke Steinfurter Festung an.

Marios Vorteil erreichte zwischenzeitlich zwar vier Bauerneinheiten, verpuffte später allerdings komplett. Erst mit dem Erreichen der Zeitkontrolle im 40.Zug unterlief seinem Gegner ein fataler Bock: Ta2 und die Partie war zugunsten Marios entschieden:

Zwischendurch war Mario Hauptdarsteller einer kleinen Anekdote, die er mit dem Schiedsrichter Christian Jackl durchlebte: Als Mario zur Toilette gehen und den Turniersaal verlassen wollte, wies ihn Jackl wohl zurecht darauf hin, dass das nicht erlaubt sei, weil Mario am Zug sei. Der Schiedsrichter zitierte die entsprechende Ziffer zur Vorschrift, woraufhin Mario bewundernd entgegnete: „Du kennst die Regeln aber genau!“ Dann fügte er tatsächlich, wohl mit einem Fünkchen Hoffnung das stille Örtchen doch zu erreichen, die wunderliche Frage an: „Willst du mitkommen?“ „Nein“. Und so setzte er sich gefügig zurück ans Brett.

Jan am Spitzenbrett erspielte sich einen soliden Vorteil, tat sich aber schwer damit, den Vorteil auszubauen. Der Steinfurter Theo Rieke verteidigte sich zäh.

Erst als Jan im Endspiel unausweichlich einen Bauern gewinnen konnte, gab sich Rieke geschlagen. Nach so viel zähem Widerstand ein wenig früh für meinen Geschmack. Hier ist die Schlussstellung, nachdem Jan die Deckung des Bauern blockiert hat und zudem die Fesselung des weißen Läufers eine neuerliche Deckung verhindert – der a-Bauer ist futsch:

Marko am dritten Brett wehrte sich tapfer gegen einen Königsangriff, überstand die erste Welle des Angriffs, spuckte in der zweiten die Qualität für zwei Bauern – und konterte.

Im 43. Zug eroberte er mit einem klassischen Doppelangriff die Qualität zurück und stand mit zwei Mehrbauern da – sein Gegner gab auf.

Ich gewann als Vorletzter. Mit großer Mühe und etwas glücklich. Zwar kam ich ganz gut aus der Eröffnung und schien einen einfachen Plan zu verfolgen, doch mein Gegner klemmte meinen Läufer ab. So sah ich mich gezwungen, den Läufer für drei Bauern zu geben: „Völlig unnötig“, befand mein Gegner später in der Analyse und hatte recht damit. Doch mir glückte die Renaissance. Nach meinem Zug Tc5, der den Läufer erobert, gab mein Gegner auf:

Leider gibt’s wieder kein Bild von mir. Hier ist wenigstens eine Zeichnung meines Cousins Til Mette, die zeigt, wie ich die Geschehnisse der Welt vermutlich in zwanzig Jahren kommentieren werde:

Den Schlusspunkt setzte Markus. Ich habe sein Endspiel am Brett verfolgt. Er kratzte sich gerade am Kopf, als er mit vier gegen drei Bauern an einem Flügel den Gewinnweg suchte.

Weil sein Turm den gegnerischen König abklemmte, seine Bauern schon ein wenig vorgeprescht waren und sein König unbedrängt nach vorne marschieren konnte, brauchte er nicht lange zu kratzen. Hier ist sein Stellungsbild kurz vor dem Ende der Partie. Mit dem Hebel h4! leitete er den verdienten Sieg ein:

Der Mannschafts-Erfolg katapultiert uns zurück ins Mittelfeld der Liga, wo wir vermutlich hingehören. Der nächste Kampf ist erst am 19. Februar gegen die zweite Mannschaft des Bielefelder SK. Hier ist der Link zur Tabelle der NRW-Klasse: https://nrw.svw.info/ergebnisse/show/2022/4319/tabelle/

 

 

 

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