Werther (ehu). Auswärts vor zwei Jahren verloren wir kläglich gegen Schach Nienberge. Dieses Mal bescherte uns das Heimspiel im Herrenhaus ein Unentschieden – vom Glück begünstigt.
Das Liga-Orakel prophezeite eine 3,5 zu 4,5 -Niederlage Werthers. Wir nahmen folglich die Aussenseiterrolle ein. Doch die Einzelergebnisse gehorchen nicht der mathematischen Wahrscheinlichkeit, zumal Schach Nienberge stark ersatzgeschwächt antrat:
Zunächst entwickelte sich der Kampf wie orakelt: Unsere Gastmannschaft aus dem Nordwesten Münsters erspielte sich eine deutliche 4:2-Führung. In den zwei abschließenden Partien am ersten und achten Brett fehlte ihr nur noch ein halber Punkt, um uns den Tag zu verderben.
Gelegenheiten zum Sieg Nienberges gab es mehrere: Ihr Spitzenspieler, Berdia Mikeladze (DWZ 2264), hätte einfach nur Dauerschach geben oder das Remis-Angebot im 55.Zug annehmen müssen. Stattdessen wollte er mattsetzen und dübelte mit dem Fehler Sc4 ein sinnloses Loch in die Stellung – der Computer geht in die Knie:
Zwar harmoniert das Dame-Springer-Duo zum Mattsetzen ideal, doch der Nienberger übersah das anschließende Schach der schwarzen Dame auf f3 – ein krasses Versäumnis. Das Schach führt etwas später zum Damentausch und zu einem gewonnenen Endspiel für Jonas.
Lehrreich ist dessen technische Verwertung. Völlig zu unrecht tadelte ich Jonas ob seiner ausufernden Grübelei in vermeintlich „simpel gewonnener Stellung“. „Meine Güte, wie kann man nur so umständlich agieren und so lange überlegen? Zieh doch den f-Bauern vor“, ereiferte ich mich nachher. Darauf er zu mir: „Wenn du gewinnst, bist du ein Arsch“.
Das Endspiel hat es tatsächlich in sich und ich kann es immer noch nicht glauben: Will Schwarz sauber gewinnen, darf er zu keinem Zeitpunkt den f-Bauern anfassen. Ich Patzer hätte das sofort getan, Jonas tat es erst nach mehreren perfekten Zügen.
Im 71.-Zug jedoch widerstand auch er der Verlockung nicht und zog f4. Der Computer kollabiert. Die Bewertung sackt ab von -10,6 Bauerneinheiten Vorteil für Schwarz auf -0,4. Freibauer, bessere Leichtfigur und mächtiger Raumvorteil, dennoch ist diese Stellung ausgeglichen – unglaublich:
Am achten Brett steuerte Mario einen weiteren wichtigen Sieg bei. Seinem Erfolg fällt eine besondere Bedeutung zu, weil er das 4:4-Unentschieden herstellte. Trotz einer Qualität im Nachteil überrollte er seinen Gegner mit einer Walze: Die weißen Bauern drücken die schwarzen Schwerfiguren gegen die Wand. Im Diagramm unten wirkt sein Springer zusätzlich wie ein Monster. Schick mündet die Stellung in eine Springergabel – der Computer zeigt ein Matt in zehn Zügen. Das oben erwähnte Dame-Springer-Duo harmoniert hier perfekt:
Mir gelang wie immer Großes: Damentausch, Bauernvorstoß mit versteckter Mattdrohung und Turmverdoppelung mit Angriff über die halboffene h-Linie. Meine Endstellung mit den schwarzen Figuren taxiert der Rechner nach dem Bauernvorstoß d4 auf -5,9 Bauerneinheiten – auf eine gemeinsame Analyse hatte mein Gegner keine Lust:
Knastig endete die Partie von Florian am sechsten Brett. Für mich sah die Endspielstellung mit einem Bauern im Minus verloren aus. Florian aber gelang es, den schwarzen König am Rand einzusperren. So blieb er Herr über die weißen Felder, die die Läufer nicht beackern können. Hier ist seine Schlussstellung:
Wohl noch glücklicher erreichte Markus ein Unentschieden. Sein Gegner schaukelte mit dem Turm auf und ab. Dabei wäre ein Gewinnversuch des Nienbergers angesichts drei! verbundener Freibauern plausibel gewesen.
Kalle und Jan hingegen gaben in ihren Partien klein bei. Kalle unterschätzte einen weit vorgepreschten Bauern auf b7: Sein Schlussbild mit den schwarzen Figuren ist trostlos:
In der anschließenden Analyse im Wintergarten des Herrenhauses, wo wir nur ausnahmsweise gespielt haben, marterten sie sich erneut.
Der Punktgewinn sichert uns ein sonniges Plätzchen. Hier ist die Tabelle nach der zweiten Runde:
Und hier der Link zur Schachbundseite der NRW-Klasse: https://ergebnisdienst.schachbund.de/bedh.php?liga=nrw-k1