Bogdan Bilovil gewinnt das 27. Schloss-Open

Werther (ehu).

Fidemeister Bogdan Bilovil hat zum zweiten Mal das Schloß-Open gewonnen.

Das Osterfest fällt für Bogdan Bilovil dieses Jahr aus. Der Sieger des 27. Schloß-Opens reist nach seinem Erfolg in Werther weiter in die Schweiz, um über die Feiertage beim Baseler Schachfestival mitzuspielen, einem Turnier mit fünf Großmeistern an der Spitze. Bilovil ist dort an sieben gesetzt und zählt zum Favoritenkreis. Die Reise- und Hotelkosten für Basel hat sich der Fidemeister vom Zweitbundesligisten Schachfreunde Bad Emstal/Wolfhagen nach eigener Aussage jetzt in Werther erspielt.

Als Bogdan Bilovil sechs Jahre alt war, brachte ihm sein Vater das Schachspielen bei. Zehn Jahre später schickten die Eltern ihren Jungen wegen des Ukraine-Krieges zusammen mit seiner Schwester nach Deutschland. Sie selbst sind in der Ukraine geblieben. Jetzt hilft ihm das Schachspiel, das Leben in Abwesenheit der Eltern zu meistern. Startgeld, Reisekosten, Aufenthalt am Turnierort: „Ich muss alles selbst bezahlen“, sagt Bilovil.

2023 feierte er schon bei seiner Premiere in Werther einen Triumph im Schloß. Nun hüpfte er erneut aufs Treppchen: Für seinen Turniersieg bekam er 725 Euro – genug für den fünftägigen Turnieraufenthalt im schweizerischen Vier-Sterne-Hotel. Beim Turnier in Basel verfolgt Bilovil ein hehres Ziel: Er möchte „Internationaler Meister“ (IM) werden. Der Titel wird vom Weltschachbund (Fide) vergeben und ist nach dem Großmeistertitel der zweithöchste im Schach. Als IM wäre Bilovil bei vielen Turnieren vom Startgeld befreit.

Aktuell hat Bilovil mehr als die dafür erforderlichen 2.400 Elo-Punkte. Zum Vergleich: Anfänger starten mit etwa 600 Punkten, der Weltranglistenerste Magnus Carlsen besitzt mehr als 2.800. Für eine erfolgreiche Titeljagd muss er zusätzlich insgesamt 27 Turnierpartien aufweisen, die seine Klasse bestätigen.

Weil das Schloß-Open auf sieben Runden begrenzt und damit kein Normenturnier war – dafür wären mindestens neun Runden nötig – war Werther für Bilovil nur eine Zwischenstation. Aber eine willkommene. Wie im vergangenen Jahr ging seine Turniertaktik voll auf: Mit den schwarzen Steinen streute er zwei Remisen ein, mit Weiß spielte er unnachgiebig auf Gewinn. Sechs Punkte aus sieben Partien lautete seine Bilanz am Ende.

In der fünften Runde bezwang er mit Weiß Mykola Korchynski. Dabei entpuppte er sich als Meister der Ablenkung:

Schwarz darf den angebotenen Bauern nicht nehmen, sonst würde der Weißspieler nach Ld6 zu einem Matt in fünf Zügen kommen.

In der Schlussrunde beendete Bogdan Bilovil eine wunderschöne Kombination mit einem ähnlich niedlichen Bauernvorstoß, der ihm den Turniersieg sicherte:

Der Bauernvorstoß nach g5 mit Schach entscheidet das Turnier – Schwarz gibt auf, denn die Umwandlung seines Kompagnons auf d6 ist nicht mehr zu verhindern.

Der einzige Lokalmatador im A-Open, Jonas Freiberger vom SK Werther, enttäuschte dagegen. An zwölf gesetzt verlor Freiberger die Runden zwei, drei und vier hintereinander. Trotz Aufholjagd musste er schließlich mit dem 21. Platz Vorlieb nehmen.

Jonas Freiberger

In der B-Gruppe spielte Florian Schwartz vom Ausrichterverein SK Werther stark auf, er ergatterte den zweiten Platz.

Vereinsduell: Florian Schwartz bezwingt mit den schwarzen Steinen den Berichterstatter und ergattert am Ende 200 Euro für den zweiten Platz.

In der C-Gruppe landeten Kacper Mindak, Kevin Deniz und Andreas Diembeck (alle SK Werther) ebenfalls in den Preisgeldrängen.

Kacper (l.) gegen Andreas. Kacper steht später total pleite. Andreas aber übersieht ein Matt in drei Zügen und verliert die Partie noch. Trotzdem schnappt er sich am Ende den Seniorenpreis.

Das Schloss-Open nutzen jedes Jahr hoffnungsvolle Talente zur Weiterentwicklung. So war die U8-Weltmeisterin von 2022 mit von der Partie: Charvi Anilkumar. Sie ist außerdem „Commonwealth Chess Champion 2022″ und „ASIAN youth GOLD and Silver Medalist 2022“

Charvi Anilkumar

Die mittlerweile Zehnjährige ist derzeit eine der größten Nachwuchshoffnungen Indiens. Sogar Indiens Premierminister Narendra Modi lernte sie vor einigen Monaten kennen. Ihre Mutter berichtete in einem Interview, dass Charvi jeden Tag fünf bis sechs Stunden konzentriert mit dem Spiel verbringt.

Das war vermutlich auch beim Schloß-Open in Werther so: Unter der Obhut ihrer Mutter studierte sie vor jeder neuen Runde intensiv das Eröffnungsrepertoire ihrer Gegner. Erst danach setzte sie sich ans Brett, nahm den Kopf zwischen die Hände und ließ die Füße baumeln.

Die Runde hat zwar schon begonnen, doch Charvi studiert noch ein paar Eröffnungszüge. Ihre Mutter assistiert.

In der vierten Runde verteidigte sie ein schwieriges Endspiel mit einem Turm gegen Springer und Turm ihres blinden Gegners René Adiyaman vom SV Welper. Der Blinde ließ sich die Züge ansagen vom Vorsitzenden des SK Werther, Karl Ulrich Goecke. Dabei produzierten das Mädchen und der Routinier die längste Partie des Turniers: 124 Züge. Fast fünf Stunden dauerte die Gedankenschlacht, bis der Schiedsrichter eingriff und das Unentschieden erzwang.

Charvi gegen Adiyaman.  Kalle (rechts), unser Vorsitzender und Turnierverantwortlicher, schmunzelt angesichts seines „Glücks“, bei der einzigen echten Marathonpartie des Turniers mit 124 Zügen, Ansagen wie „Springer Caesar sechs“ und das Ziehen der schwarzen Figuren auf dem Brett übernommen zu haben. Am Ende reklamiert Charvi das Unentschieden mit Hilfe der 50-Züge-Regel und befreit die drei Beteiligten aus ihrer Endlosschleife.

Die kleine Inderin landete schließlich mit 2,5 Punkten auf einem respektablen 33. Platz von 42 Teilnehmern. Auch die heimische Schachhoffnung und ein Jahr ältere Lilian Schirmbeck vom SK Halle steigerte ihre Turnierhärte. In der B-Gruppe schloss die Europameisterschaftszweite das Turnier auf dem 35. Rang von 43 Teilnehmern ab.

Zum Schluss noch ein kleiner Eröffnungs-Ausflug über den Hasenpatt und andere selten betretene Pfade. Ein Fest für den Fidemeister Olaf Steffens, der ein regelmäßiger Gast unseres Turniers ist. Sehenswert scheint er von Beginn an ganz auf die Bouncing-Back-Taktik zu setzen:

Wie ein Abwehrspezialist im Tischtennis schnippelt er die meisten Züge mit Unterschnitt auf die Platte. Einmal etwa spielte er mit Weiß eine Zugfolge, von der ich noch nie gehört habe: die Saragossa-Eröffnung – erstens c3 und zweitens Da4.  „Unterstützt den Bauernvorstoß nach g4“, sagte er im Anschluss. Erneut hätte er sich den Kreativpreis verdient, – wenn es ihn gäbe.

In der Schlussrunde bezwang er sehenswert Pascal Werrn. Seine ersten Züge lauteten a3 und Sc3. Am Ende setzte er forciert in fünf Zügen matt. Der Startzug Sg6+ ist im Screenshot unten zu sehen, die Zugfolge darunter:

Und hier noch ein paar weitere Fotos vom Turnier in loser Folge:

Die Gruppensieger der B-, A- und C-Gruppe, Tim Fuhlrott (v.l.), Bogdan Bilovil und Fotios Milonas zusammen mit dem Turnierverantwortlichen Karl Ulrich Goecke und dem Schiedsrichter Dirk Husemann.
Blick in den Turniersaal über die Köpfe der B-Gruppenspieler und -spielerinnen hinweg.
Blick in den Turniersaal von der anderen Seite aus.
Im Vordergrund spielt Paul Peschges vom SV Turm Kamp-Lintfort mit Weiß gegen Candidate Master Aaron Noah Köllner von den Schachfreunden Deizisau. Köllner gewinnt.
Fidemeister Oliver Stork vom Klub Kölner Schachfreunde wird punktgleich mit Bilovil Zweiter.
IM Ferenc Langheinrich vom SV Empor Erfurt landet am Ende auf dem dritten Platz.
Maurin Möller vom SK Blauer Springer Paderborn.
Der Kölner Mathestudent Emil Meyer vom Klub Kölner SF.
Weibliche Fidemeisterin und dreizehnjähriges Nachwuchstalent: Lisa Sickmann vom Lübecker SV.
Meinolf Kemper vom SK Delbrück
SK Werthers diesjährige Catering-Kräfte Markus Henkemeier (l.) und Mesud Mujanovic.
Die Übertragung der ersten Runde von den oberen Brettern läuft.
Kevin Deniz vom SK Werther erreicht in der C-Gruppe die Preisgeldränge.
WCM Diana Tynyshtyk aus Kazachstan.
Werthers Bürgermeister Veith Lemmen (mit Hut) hält eine kurze Ansprache zur Eröffnung der Gruppen B-,C- und D.

Fidemeister Olaf Steffens aus Bremen gewinnt gegen die kleine Inderin.
Zum Schluss ein zerbrochener Läufer. Kalle meinte, er symbolisiere den Kampfgeist der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Ich aber kann eine Remisflut in der letzten Runde bezeugen. An meinem Brett lehnte ich das Unentschieden ab und gewann.

 

 

 

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