Kiel (ehu). Vor wenigen Wochen nahm ich am 35. Kieler-Open teil. 330 Kilometer mit dem Fahrrad ohne Akku strampelte ich ab, bis ich nach drei Tagen die Landeshauptstadt Schleswig Holsteins erreichte, wo man überall „Moin“ sagt und dann die Klappe hält. Für das Absolvieren der Strecke klopfte ich mir dauernd selbst auf die Schulter. Für das mäßige Abschneiden beim Schachspielen machte ich meinen schmerzenden Hintern verantwortlich.
Mit fünfeinhalb Zählern landete ich leicht enttäuscht auf dem 28. Platz – drei Ränge unter meinem Setzlistenplatz. Leichte Verluste in Elo und DWZ musste ich verkraften. Immerhin aber bleibe ich ein Ü-1900er! Die Vereinskameraden werden mich weiter siezen müssen, wenn sie um meine Expertise bitten.
Zumal ich eine echte Perle meiner schachlichen Laufbahn produzierte. Und deren Glanz möchte ich hier im Einzelnen beschreiben:
In der dritten Runde saß mir in Christoph Schinkowski als Setzlistenachter (Elo 2145) ein dicker Brocken vor der Nase. Doch was habe ich ihn schwindelig gespielt! Während der gesamten Partie küsste mich die Muse und ein Geistesblitz nachdem dem anderen schoss mir durchs Hirn.
Hier zunächst die Analysekurve und Fehlerrate der Partie:
Der grobe Patzer passiert im 26. Zug, der jedoch nicht den Gewinn vergibt.
Hier geht’s los:
So war der Plan gefasst und die Züge folgerichtig – auch wenn sie nicht immer den Computervorschlägen entsprachen: 16. h4 Sa5 17. Df4 Sxb3 18. h5! – scheiß auf die Qualle Sxa1 19. Sh2! h6 20. Sg4! Kh7? Bis hier hatte ich gerechnet und jetzt auf weitere Eingebung gehofft:
17 Bauerneinheiten Vorteil bescheinigt mir der Computer, den ich allerdings mit meinem 21. Zug auf 8,5 Einheiten zum Schrumpfen bringe. Ich fand den nächsten Zug trotzdem so gut, dass ich annahm, die Muse würde mich immer noch küssen. Deswegen verpasse ich dem Zug – entgegen der Maschinenmeinung – ein Ausrufezeichen: 21: Ld8! – Schwarz hängt in den Seilen – Dxd8 22. Dxf7+ Kh8 23. Sf6 Lg7 24. Sxe8?! Dd7 25. Dxg6 Sb3? In folgender Stellung scheiden sich die Wege – ich wähle den beschwerlichen:
Stattdessen war mir klar: Seiner Überlegenheit fast unmerklich Ausdruck verleihen, kann man wohl am besten, wenn man so zieht wie Kalle: Jeden simplen Zug mit einer leichten Drehbewegung ins Brett schrauben, als würde man einen Dübel im Holz versenken – super nervig.
In der anschließenden Analyse schraubte ich gerade meinen zehnten Eröffnungszug aufs Brett, als mein Gegner sagte: „Wir brauchen uns das nicht noch mal angucken“, und die weitere Partiebesprechung über die Eröffnung hinaus einfach verweigerte.