Historie des Schloss-Opens

Die Geschichte des „Schloss-Opens“

Die Vorgeschichte

Die Tatsache, an dieser Stelle über die Entwicklung eines Turniers schreiben zu können, das erst seit knapp vier Jahren Bestand hat, ist möglicherweise für manche befremdlich. In erster Linie zeigt es jedoch, wie schnell das seit 1995 veranstaltete Ereignis sich einen festen Platz in der bundesdeutschen Turnierlandschaft sichern konnte. In den Jahren seiner Durchführung verlief die Entwicklung rasant, konnten der Schachklub und der Sponsor, die Kreissparkasse in Halle, an der stetigen Expansion des Schloß-Opens mitwirken.

Ideen für die Durchführung einer derartigen Veranstaltung bestanden erstmals in den frühen 90er-Jahren, als der Verfasser dieser Zeilen (damals noch 2. Vorsitzender) mit dem damaligen Jugendwart Stephan Kanditt Überlegungen über die Möglichkeiten, Risiken und Modalitäten einer solchen Veranstaltung anstellte . Bis zur Realisierung war es dann noch ein weiter Weg. Widerstände im eigenen Verein, Skepsis gegenüber der Durchführ- barkeit, Fragen nach geeigneten Örtlichkeiten – alles dies galt es aus dem Weg zu räumen. So konnte der ursprünglich vorgesehene erste Veranstaltungstermin im Sommer 1993 schließlich nicht realisiert werden.

Mit der Einweihung des Hauses Werther und seiner Bürgerbegegnungsstätte im Jahre 1994 war die Frage nach der Logistik zumindest geklärt. Schnell kam man überein, diesen Versammlungsort (das sogenannte »Schloss«) auch als Schauplatz des überregionalen Schachturniers zu bestimmen. Der Name des Festivals ergab sich daraus fast wie von selbst.

Die Premiere 1995

1995 fand dann die Erstausgabe statt. Immerhin 80 Teilnehmer konnte das Organisa- tionsteam um Claus Meyer, Holger Sahrhage und dem Hauptturnierleiter Stephan Kanditt zum Auftakt begrüßen – Skeptiker waren anfangs lediglich von 50 bis 60 Schach- enthusiasten ausgegangen, die ihrer Meinung nach den Weg zum Wertherberg finden würden. Fünf Runden nach Schweizer System wurden und werden heute noch gespielt. Das Preisgeld für den Erstplazierten betrug damals noch „bescheidene“ 500 DM. Das Echo war durchweg positiv; in Meckerkästen geworfene Zettel der Teilnehmer ermun- terten uns u. a. mit den Worten »Auf zum 2. Schloss-Open 1996«. Die Geburt des neuen Schachkindes konnte also als geglückt angesehen werden.

Da passte es ins Bild, daß sogar ein Akteur aus der nächsten Umgebung den Siegerpokal mit nach Hause nehmen durfte. Karl-Ulrich Goecke vom Nachbarn SK Halle verfügte am Ende als einziger über 4,5 Punkte, konnte dabei im Schlußakkord den bis dahin souverän auftretenden Josip Gazic bezwingen. Gazic hatte in der Runde zuvor immerhin den DWZ-Favoriten FM Mehmed Pasalic in einer glänzenden Partie überspielt. Besagter Gazic sollte auch in den nächsten Jahren noch häufiger eine sowohl tragende als auch tragische Gestalt der Schloss-Open werden.

Die Zweitausgabe 1996

Für 1996 hatte sich das Preisgeld für Rang eins auf 750 DM erhöht. Gleichzeitig mit den gestiegenen finanziellen Anreizen waren auch eine Reihe hochkarätiger Spieler (hoffent- lich nicht nur wegen des Mammons) im Schloß erschienen, allen voran FM Heiner Matthias vom NRW-Ligisten Lippstädter SV sowie der für Zugzwang Minden spielende FM Rüdiger Seger; beide mit einer Wertungszahl von 2370 respektabel ausgestattet.

Vielleicht war es im nachhinein etwas unglücklich, daß die Turnierfavoriten erst in der letzten Runde aufeinander trafen. Heiner Matthias reichte ein Remis zum geteilten ersten Platz, Rüdiger Seger hätte nach einem halben Punktverlust in Runde vier gegen Matthias Krallmann (SG Enger-Spenge) schon voll auf Sieg spielen müssen, um seine Chancen auf den Gesamtgewinn zu erhalten. Dabei wäre er allerdings Gefahr gelaufen, bei einem Verlust der Partie alle Chancen auf ein Preisgeld zu verspielen. So trennte man sich nach 16 wenig spektakulären Zügen unentschieden.

Am Ende lagen gleich vier Spieler punktgleich mit 4,5 Zählern auf Rang eins. Es mußte die Buchholz-Wertung bemüht werden, um festzustellen, daß Heiner Matthias sich vor Heiko Kummerow, Alexander Hoffmann und Matthias Krallmann den Siegerpokal gesichert hatte. Zum Trost der drei letztgenannten wurde das Preisgeld immerhin geteilt (bei Pokalen ist das naturgemäß etwas schwieriger). Etwas enttäuschend verlief das Turnier übrigens für Titelverteidiger Karl-Ulrich Goecke. Nach einer überraschenden Niederlage in Runde eins hatte er früh Boden verloren und mußte sich am Ende mit drei Punkten und Rang 40 begnügen.

Ach ja, die Teilnehmerzahl: 94; wir näherten uns mit Riesenschritten dem ersten Hunderter.

1997: Jahr der Neuerungen

Schon 1997 waren wir dann mit 104 Schachinteressierten im dreistelligen Bereich. Die Veranstaltung hatte noch ein Novum zu bieten. Zum ersten Mal hatten wir zwei Gruppen gebildet, die B-Gruppe für Akteure mit einer DWZ bis 1800, die A-Gruppe für die stärkeren. Entsprechend steigerte die Kreissparkasse ihren Beitrag noch einmal auf 1000 DM. In der Siegerliste blieb bei den Cracks alles beim alten. Ein souveräner Heiner Matthias gewann mit 4,5 Punkten und behielt damit diesmal den Siegerscheck für sich allein. Auf Platz zwei folgte IM Viesturs Meijers vom Godesberger SK (wo wir schon beim Novum sind: mit Meijers und Reinhard Baumhus nahmen erstmalig zwei Internationale Meister beim Schloß-Open teil), den Matthias in der vierten Runde hatte bezwingen können. Es folgten mit ebenfalls vier Punkten Conrad Schormann (ZZ Minden) und Thomas Schwarz (SV Bad Oeynhausen).

In Gruppe B – die Reihe der Neuartigkeiten will nicht abreißen – lagen mit Daniel Saavedra (SK Münster) und Patrick Kürble (SK Diepholz) am Ende zwei Teilnehmer mit jeweils 4,5 Punkten vorn. Da auch alle denkbaren Feinwertungen identisch waren, mussten Blitzpartien die Entscheidung bringen. Aber auch hier erwiesen sich die Kontrahenten als äußerst hartnäckig und ausgesprochen gleichwertig in der Spielstärke. Zu später Stunde, Sponsoren und Zeitungsvertreter – beide zudem mit den Feinheiten des Spiels nicht unbedingt vertraut – warteten schon ungeduldig, mussten Saavedra und Kürble sogar noch ein drittes 5-Minuten-Match bestreiten, nachdem es in der regulären Verlängerung ein 1:1 gegeben hatte.

»In der dritten Partie konnte sich endlich Daniel Saavedra ? durchsetzen, nachdem sein Gegner offensichtlich vergessen hatte, wie sich ein Springer zu bewegen hat und ihn von c3 nach e1 zog.«

Das verschämte kleine Fragezeichen im Artikel (SKW-Jahresheft 1996/97) des ansonsten sehr gewieften Wertheraner Spielleiters mag als Beweis dafür dienen, daß selbst die Turnieroberen am Ende etwas die Übersicht darüber verloren hatten, wer als Sieger und wer als Verlierer die Stühle nach hinten rückte. Zu Sahrhages Ehrenrettung sei gesagt, daß tatsächlich Saavedra am Ende als Titelträger grüßte.

Spannende Dramaturgie 1998

1998: Erneut konnten wir die Teilnehmerzahl, diesmal auf 108, steigern. 44 von ihnen spielten in der A-Gruppe. Titelverteidiger Heiner Matthias war nicht unter ihnen. Zum Verdruss der Organisatoren und zur Freude (?) der auch diesmal wieder hochkarätigen Konkurrenz war dem zweimaligen Champion der Fahrer abhanden gekommen, welcher sich kurzfristig vom Turnier abgemeldet hatte.

Trotzdem entwickelte sich das bis dato wohl spannendste Schloss-Open. Gleich zu Beginn verlor mit Tobias Jugelt einer der Favoriten sensationell gegen Lokalmatador Daniel Ciaffone. Wer gedacht hatte, der ehemalige Deutsche Jugendmeister vom SK Delmenhorst würde nach dieser Schlappe resignieren, sah sich jedoch getäuscht. Jugelt gewann die nächsten vier Begegnungen und sicherte sich mit vier anderen Akteuren noch den geteilten ersten Rang. Um den Titel stritten zudem Edgar Prang, (PSV Duisburg), Rüdiger Seger, wieder einmal Josip Gazic sowie Guido Gößling (SG Detmold).

Dabei kam es in Runde drei zu einer denkwürdigen Partie zwischen Seger und Gazic, die der Mann vom SK Domovina durch einen aufdringlichen Freibauern auf der B-Linie für sich entschied. Auch im Schlussakkord wurde verbissen gekämpft. Prang und Gazic trennten sich remis, nachdem der Duisburger in Zeitnot einige klare Gewinnchancen ausgelassen hatte und Gazic sich nach einer Opferorgie ins Dauerschach rettete. Am Ende aber triumphierte doch Edgar Prang. Nach Sonneborn-Berger-Wertung setzte er sich knapp vor Rüdiger Seger durch. Josip Gazic, Tobias Jugelt und Guido Gößling folgten mit schwächerer Buchholz-Zahl auf den Plätzen. Dabei hatte Gazic besonderes Pech, da sein Erstrunden-Gegner aus dem Turnier ausgestiegen war und somit die Buchholz- Wertung für Gazic am Ende möglicherweise turnierentscheidend verfälschte.

In Gruppe B setzte Wilfried Köhler von KS Herford neue Maßstäbe. Zum ersten Mal gelang es einem Teilnehmer des Schloss-Opens, mit einem 100%-igen Ergebnis aus dem Turnier zu gehen. „Fünf aus Fünf“ lautete Köhlers stolze Bilanz am Ende der drei Tage. Zusätzliche 400 DM Siegprämie mögen ihn darüber hinweggetröstet haben, daß er nicht wie ursprünglich gewollt in der A-Gruppe starten durfte.